Rohrleitungssysteme intelligent mit BIM planen

Quelle: DDScad

Wie reduziert man das Risiko für Fehler beim Planen, Entwerfen und Errichten von Gebäuden? Das Ingenieurbüro Zeisig macht es vor mit einer präzisen, gewerkeübergreifenden TGA-Planung für einen Wohnungsneubau im Quartier St. Johannis in Nürnberg. Am Beispiel des anspruchsvollen statischen Rohrleitungssystems werden praxisnahe Lösungen aus der digitalen TGA-Planung vorgestellt.

Text: Felix Berthold, M.A.

Am nordwestlichen Stadteingang von Nürnberg liegt das Quartier St. Johannis aus den 20er bis 30er Jahren. Bis 2017 schafft die wbg Nürnberg GmbH dort für rund 20,3 Mio. Euro modernen Wohnraum auf einem Grundstück, das jahrelang mit nur untergeordneten Bebauungen, wie Garagen, ein Schattendasein fristete. Das ibz Ingenieurbüro Zeisig bei Nürnberg plante für dieses Bauprojekt die komplette Technische Gebäudeausrüstung, wozu u. a. die CAD-gestützte Planung eines sehr anspruchsvollen statischen Rohrleitungssystems gehörte. Für die TGA-Fachplanung haben die Planer  des 1996 gegründeten ibz die moderne Projektierungssoftware DDScad eingesetzt. Die Planung begann 2014, Ausschreibungen und Ausführungsplanung waren Ende 2015 abgeschlossen. Derzeit wird der Rohbau errichtet.

Das Gebäude wird als Blockrandbebauung die Siedlungsstruktur St. Johannis abschließen. Es handelt sich um fünf miteinander verbundene Bauvolumen mit einer komplexen Architektur inklusive Tiefgarage. Entworfen haben das Gebäude die Blauwerk Architekten aus München. Insgesamt entstehen 74 Wohneinheiten (davon 18 gefördert), Räume für eine zweigruppige Kindertagesstätte mit Freiflächen sowie zwei Gewerbeeinheiten. Die Gesamtwohnfläche beträgt 7.157 Quadratmeter.

Kollisionspunkte mit anderen Gewerken zuverlässig erkennen und lösen

Der komplexe Baukörper mit einer anspruchsvollen Architektur bedeutete für die erfahrenen TGA-Planer vom ibz eine besondere Herausforderung. „Innerhalb des vollkommen ausgereizten statischen Systems gab es nahezu keine Reserven“, berichtet Geschäftsführer Sebastian Zeisig. Die ganze Rohrleitungskonstruktion für Wasser, Heizung und Abwasser war so detailliert zu planen, dass die gesamten Informationen zur Statik in der TGA-Projektierungssoftware vorliegen mussten.

Durch eine integrierte Planung aller Gewerke konnten Kollisionspunkte einfacher erkannt werden, um optimale Lösungen zu finden. Mit dem u. a. eingesetzten Software-Paket DDScad SHKL konnte die komplette Konstruktion und Dimensionierung des Rohr- und Kanalnetzes in 2D und 3D geplant werden.

Anschaulich zeige dies die Tiefgarage, erklärt Zeisig.  Wegen der vielen Versprünge und Unterzüge sowie unterschiedlichen Höhen sei der Konstruktionsaufwand hier besonders hoch gewesen. Jede statische Durchdringung war in der Planung zu berücksichtigen. Durch die Abwasserleitungen und die inliegende Dachentwässerung gab es etliche Kollisionsbereiche mit anderen Medien (z. B. Elektro). Bei den Abwasserrohren musste nicht nur das notwendige Gefälle berücksichtigt werden, auch die minimalen Durchfahrtshöhen in der Tiefgarage waren relevante Randbedingungen. Dank 3D-Konstruktion und Kollisionserkennung des Programms konnten auch diese kritischen Punkte leicht korrigiert werden.

Quelle: DDScad

Dies gilt ebenfalls für die Kollisionspunkte in den Geschossen für Fußbodenaufbauten, für Anschlüsse an Küchen, Spülen, Bäder, Gästebäder etc. Alles, was über den Rohfußboden verlegt wird, musste genau geplant werden, da es keine Reserven für Stemmarbeiten in den Decken gibt. Hinzu kamen zahlreiche Kreuzungspunkte mit der Elektrotechnik und Heizung.

Die gesamte Badausstattung wurde ebenso mit DDScad projektiert. Die Bäder wurden mit den Anschlüssen in den raumhohen Vorsatzschalen konstruiert. So konnten alle möglichen Verzüge berücksichtigt werden. Eine Besonderheit sind hier die zusätzlichen Kreuzungspunkte mit der Abluftversorgung, die über das Dach geführt wird.

Im 3D-Modell lassen sich die geplanten Installationen realistisch visualisieren und prüfen. Quelle: DDScad

Die integrierte Heizlastberechnung basiert auf dem 3D-Modell des Gebäudes. Das ermöglichte die „saubere“ Berechnung der kompletten Räume, um die Heizkörpergrößen und Auslegung detailliert planen zu können. Die Wärmeversorgung erfolgt über einen Fernwärmeanschluss.

Die Planungsleistungen vom ibz, das heute 18 Mitarbeiter zählt und das gesamte Leistungsspektrum der TGA-Fachplanung abdeckt, umfassten auch die Elektrotechnik. „In diesem Fall ist der integrative Planungsansatz besonders wichtig“, betont Zeisig. „Der Mitarbeiter, der die Elektroplanung verantwortete, konnte jederzeit die anderen Gewerke in der Software einblenden.“ So konnte er z. B. die genauen Höhenlagen von Trassen einsehen, um wiederum mögliche Kollisionen auszuschließen.

Ganzheitlich geplant ist halb gewonnen

BIM-Planungstools setzen sich in der Branche langsam immer mehr durch, allerdings gibt es noch immer Vorbehalte, v. a. hinsichtlich des initial höheren Planungsaufwands. Was versteht man überhaupt unter BIM? BIM (Building Information Modeling) ist eine Planungsmethode. Mithilfe von Software entsteht eine virtuelle Baustelle: Alle physikalischen und funktionalen Eigenschaften eines Bauwerks werden bereits vor Baubeginn in einem 3D-Modell simuliert, geprüft, korrigiert und aktualisiert. Und was bedeutet BIM in der Praxis eines TGA-Planers?

„Der integrative Ansatz erhöht zwar den Planungsaufwand am Anfang eines Projekts, bis alle benötigten Daten in das Modell eingepflegt sind“, weiß Geschäftsführer Sebastian Zeisig zu berichten: „Doch dies zahlt sich durch die höhere Planungsqualität und -sicherheit aus. Planungsfehler können von Beginn an vermieden und spätere Änderungen wesentlich einfacher umgesetzt werden. Einen ganz klaren Vorteil der integrierten Planung sehe ich in der Unterstützung bei der gewerkeübergreifenden Kollisionsprüfung.“

Der zusätzliche Zeitaufwand am Anfang spart nachweislich Zeit und Kosten in späteren Projektphasen, denn es sind in der Regel weniger Revisionen nötig und Planungsfehler werden minimiert. Weniger Schnittstellen und standardisierte Dateiformate erleichtern darüber hinaus den kooperativen Datenaustausch z. B. mit den ausführenden Firmen, was insgesamt zu schlankeren Abstimmungsprozessen führt.

Mit der gewerkeübergreifenden Kollisionsprüfung werden Zusammenstöße von Rohrnetz und Elektroinstallationen vorab erkannt und vermieden. Quelle: DDScad

Mit DDScad konnte ibz 3D-Funktionsmodelle der kompletten Gebäudetechnik erstellen und somit ganze Gebäude simulieren. Ob Sanitär-, Heizungs- Lüftungstechnik und Klimatechnik oder Elektrotechnik, alle Informationen führte die 3D-Konstruktion zusammen. Hierzu wurden sämtliche planungsrelevante Daten erfasst und konnten mithilfe des IFC-Austauschformats nach dem buildingSMART-Standard komfortabel geteilt werden.

Standardisierter Datenaustausch und Kommunikation

Mit dem Statiker und dem Tragwerksplaner und auch dem Architekten konnten durch die BIM-gerechte Planung die schwierigen Bereiche leichter abgestimmt werden. Hierzu wurden die kompletten Daten reibungslos als IFC-Bauwerksmodell übergeben. Auch bei der Übergabe der Daten an die ausführenden Firmen werden die Vorteile von IFC genutzt. Die Obermonteure auf der Baustelle haben mit dem kostenlosen DDScad-OPEN-BIM-Viewer z. B. die Möglichkeit, jederzeit per Laptop oder Tablet alle TGA-Pläne im Detail einzusehen. „Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht“, berichtet Zeisig: „Dies steigert nachhaltig die Ausführungsqualität und teure Nachbesserungen können vermieden werden.“

Immer up-to-date

Neun Mitarbeiter von ibz arbeiten täglich mit DDScad. Damit sie immer auf dem aktuellen Stand sind, werden sie zweimal im Jahr geschult. „Die Schulungen sind nicht standardisiert, sondern es wird immer auf die individuellen Bedürfnisse im Büro eingegangen, was wir schätzen“, sagt Zeisig. „Das Verhältnis ist sehr partnerschaftlich. Und dank der regelmäßigen Schulungen sind unsere Mitarbeiter immer up-to-date, bei einer Software die kontinuierlich weiterentwickelt wird.“

Fazit

Die TGA-Planung durch das ibz Ingenieurbüro Zeisig für das Bauprojekt St. Johannis zeigt, wie sich durch eine BIM-orientierte Planung die Planungs- und Ausführungsqualität nachhaltig steigern lassen. Auch wenn der initiale Aufwand mit einer umfassenden TGA-Projektierungssoftware höher ist als bei herkömmlichen Planungswerkzeugen, führt dies letztlich zu mehr Kostensicherheit und weniger Revisionen. „Die Komplexität der Gebäude nimmt zu. Daher werden TGA-Planer in Zukunft vermehrt BIM-Planungsmethoden einsetzen müssen“, sagt Zeisig. „Die Digitalisierung des Bauwesens wird das Leistungsspektrum von Architekten und Bauingenieuren in den nächsten Jahren stark erweitern. Wir in der TGA-Planung sind da schon recht weit. Dies bedeutet aber auch, dass speziell für BIM-Leistungen neue Regelungen zu Honorar, Haftung, Datenhoheit und Datenschutz geschaffen werden sollten.“